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Menschenwürdig


Im Grunde wäre ich gerne Pazifist


Heute Morgen hat mir ein ukrainischer Freund strahlend erzählt, dass den Ukrainern ein wichtiger Schlag gegen die russische Armee gelungen sei. Einen Moment hab ich mich gefreut, aber nur kurz. Dann wurde mir spürbar unwohl und ich bin ins Grübeln gekommen. Im Grunde wäre ich gerne Pazifist. Zuweilen aber schwanke ich. Pazifismus kann ja auch zu einer Ideologie verkommen, die den konkreten Gegebenheiten nicht gerecht wird. Mir ist unklar, wo ich mich mit den aktuellen Gewaltausbrüchen in Gaza und in der Ukraine positionieren will.


Warum will ich mich eigentlich irgendwo positionieren? 

Wenn ich dieser Frage nachspüre, bemerke ich, dass sich hinter dem Drang Position zu ergreifen, eigentlich das Gefühl von Hilflosigkeit und Angst verbirgt und es ein unglücklicher Versuch ist, diese Gefühle nicht zu spüren.


Ein Text von Martin Luther King kommt mir in die Hände. Die Geschichte tut mir gut, wie Balsam auf die Seele: 

 

Als weisse Rassisten in den Siebzigerjahren eine Bombe auf Kings Veranda warfen, strömten hunderte von aufgebrachten Schwarzen zu Kings Haus. Die meisten von ihnen waren bewaffnet. Die Stimmung war explosiv und die Menschen zu allem bereit. Als er nach Hause zurück kehrte beschwor King die Menge, nicht mit Gewalt auf Gewalt zu Antworten. „Wer auf Gewalt mit Gewalt reagiert, löst keine Probleme,“ sagte er „sondern begibt sich auf das Niveau seiner Gegner. Unsere Waffe ist keine zu haben.“

 

Für King hat Gewaltlosigkeit nicht geheissen sich alles bieten zu lassen. Doch woher kam seine Kraft für den gewaltlosen Kampf? Wenn ich die Worte von King auf mich wirken lasse, werde ich ergriffen von einer ganzen Palette von Emotionen und Gefühle, die darin mitschwingen. Da ist sicherlich Wut und Angst, aber auch Ehrfurcht und Liebe sowie Gewissheit und Zuversicht. Emotionen, so authentisch und gefasst zum Ausdruck gebracht wie es King meisterhaft tat, sind eine Quelle der Kraft. 


Seinem Beispiel folgend, ehre ich also meine Emotionen und Gefühle und finde so in eine Position ohne Position, nämlich für den Frieden und die Gewaltlosigkeit.

Das ist menschenwürdig.

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